Montag, 18. Januar 2021

Aufzug am Schloss-Mainufer

Leserbrief am 10.01.2021 im Main-Echo, Ausgabe Aschaffenburg

Zu "Stadträte für Schmuck-Lösung", 11.12.2020, Leserbrief "Neues Wahrzeichen...", 04.01.2021

Keine Konkurrenz erzeugen

Der Leserbrief des Stadtplaners K.-H. Brendler lässt mich wieder in der Gegenwartsrealität erwachen.

Personenaufzüge moderner Prägung sind seit Mitte des 19. Jahrhundert dem Menschen dienende, nützliche Maschinen, die ihm bestenfalls komfortabel und erlebnisreich Höhen überwinden lässt. Die Aschaffenburger Anforderungen für den Aufzug am Mainufer stellen sicherlich keine Herausforderung für den zeitgemäßen Maschinenbau dar. Wenn die Maschine sich zur Nutzbarkeit mit einer Umhüllung vereint, entsteht Architektur, sowohl als Schräg- oder Vertikalaufzug. Aufgrund der Besonderheit des Errichtungsortes in unmittelbarer Nähe zum Schloss entsteht die Schönheit des Gebäudes, indem es nicht konkurrierend ist, sich zurücknimmt und ebenfalls dienend ist.

Traumhaft sehe ich in der geplanten Architektur ein in der Zeit erstarrtes überdimensionales Mikadostabbündel. Sollte der Traum enden, wird sich die Starre lösen und die Form ihre Vollendung am Boden liegend finden. Nicht mehr Architektur, eventuell eine Kunstinstallation mit untergeordneter Aufzugstechnik, ein wesentlicher Unterschied für das gesamte Projekt. Und was bliebe dann? Ein mächtiges Schloss, das sich wie all die Jahrhunderte zuvor, in ruhiger Schönheit ungestört über den Mainbogen erhebt, weithin sichtbar und zweifellos alles dominierend.

Ein Architekturappendix mit starkem Assoziationspotential zu mittelalterlichen Belagerungstürmen hat auch durch die Anstellung an ein Renaissanceschloss schon aufgrund der historischen Problematik erheblichen weiteren Diskussionsbedarf. Wenn das Schloss Aschaffenburger Wahrzeichen ist und auch bleiben soll, sollte keine Konkurrenz erzeugt werden, sonst lässt Disneyland bis zu uns grüßen.

Günter Schweibert, Architekt, Aschaffenburg


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