Dienstag, 14. März 2017

Phaeno und der öffentliche Raum


Das Raumschiff ist gelandet. In Wolfsburg, schon im Jahre 2005. Auf die Erde gebracht von der Stararchitektin Zaha Hadid. Beschrieben mit Worten wie "diesseits wie jenseits bisheriger Grenzen des technisch Machbaren... und einer den Bau umgebenden architektonischen Landschaft mit sanften Hügeln und Tälern... und gibt im Erdgeschoss einen vielfach erlebbaren Stadtraum frei."

Ich habe den Landeplatz 2016 erlebt, das Raumschiff ist immer noch geparkt, mit zehn Cones fest im Untergrund verankert. Der Tag war, wie man auf den Fotos erkennen kann, sonnig und schön. Aber der Landeplatz schien mir immer noch wie zufällig ausgewählt, mit Abstand zum Stadtraum, irgend wie auch nach einem Jahrzehnt planiert von der enormen Antriebsenergie des Raumschiffes. Und das Erdgeschoss wollen wahrscheinlich auch Sie nicht erleben, weil selbst an einem Sommertag zugig, ab der Dämmerung eher ein Abenteuerparcours in Beton mit Gruselfeeling. 

Ich erinnerte mich angesichts dessen an anderswo erlebte Plätze im Stadtraum, mit Aufenthaltsqualität und einen real gefühlten Wohlfühleffekt. Im ehemaligen Industrierevier in NRW kann man sehen wie Brachen rekultiviert werden. In Wolfsburg scheint mir dies noch nicht gelungen, vielleicht auch nicht gewollt. Autos rollen am besten über Betonpisten.



Samstag, 4. März 2017

Energiesparen- und kein Ende

Ermüdet blicke ich auf mehr als zwei Jahrzehnte der Diskussionen zum Thema Energiesparen und EnEV. Im Boulevard gab es populäre Information für den Bauwilligen, in Fachzeitschriften gibt es noch immer die Zukunftsversprechen der Industrie sowie deren Lobbyisten; weniger kamen die besonnenen aber leidenschaftlichen Kritiker zu Wort. Alle Thesen zum für und wider unterlegt mit Studien und Untersuchungen, deren Inhalte in ihrer Widersprüchlichkeit dem  Bauschaffenden wenig Orientierung bieten konnten. Und vorwärts getrieben wurden das Thema Jahr für Jahr durch die EnEV und einschlägige Gesetze und Verordnungen. Politiker wurden zu Fachleuten für Passivhäuser. Zeitweise hatte ich den Eindruck, Architektur wird hauptsächlich vom Energieberater und nur wenig vom Architekten gestaltet. Zwischendurch verloren selbst die Architektenkammern die Möglichkeit, Kompetenz auch im Bereich Energiesparen für ihre Mitglieder zu sichern. In diesem Klima sahen es viele Kollegen für angeraten, keinen Opportunismus zu zeigen. 
Jedenfalls in meiner beruflichen Zeit ist es seit den 70er Jahren ein Planungschwerpunkt, ein Gebäude auch bezüglich des Wärmeschutzes und der Klimatisierung für die Nutzer zu optimieren. Diese Leistung schulden seit je her Architekten ihren Auftraggebern so selbstverständlich, wie der Tragwerksplaner ein standsicheres Gebäude schuldet. 
Hat es diesen Hype für die Verringerung von Energieverbrauch bei der Nutzung von Gebäuden gebraucht? Industrie und Politik sagen alternativlos ja. Sind wir Architekten so verantwortungslos, dass sich ohne gesetzlichen Zwang keine Entwicklung ergeben hätte? Ich sage nein. 
Baukonstruktion verwirklicht keine Bauideologien und Bauideale. Die Planung sucht den größten gemeinsamen Nenner aller Anforderungen. Architekten begreifen sich wieder weniger als Erfüllungsgehilfen der Energiesparlobby. Jedoch muss auch erwähnt werden, dass das "Maximum" des Energiesparens aus der Vergangenheit heute kaum noch zu relativierende gesetzliche Planungsgrundlage ist.
Im Wohnungsbau sind die heutigen Anforderungen mit ihrer rechnerisch ermittelten Energiesparversprechung reine Theorie. Die Praxis zeigt ganz andere Verbrauchszahlen, ebenso Bau- und Nutzungskosten. Wer die Möglichkeit hat, das Verhalten von Ein- und Mehrfamilienhäuser mit unterschiedlichen Energiestandards über Jahrzehnte bezüglich der Herstellungs-, Unterhalts- und Verbrauchskosten zu analysieren, wird zu dem Ergebnis kommen, dass Rentabilität nicht besteht. Im Einfamilienwohnhaus bezahlt der "energiesparende" Bauherr seine eigene Rechnung - jeder ist seines Glückes Schmied. Jedoch im Mietwohnungsbau zahlt der Mieter trotz geringerem Energieverbrauch eine höhere Rechnung.
Wohngebäude werden nicht zu dem Zweck gebaut, menschenleer zu stehen, aber mit einer Messsonde ausgestattet, die positive Energiedaten direkt in die Rechner der Energielobbyisten überträgt, damit die zuvor erwähnten Studien entstehen können. Nein, die Nutzungsinhalte des Wohngebäudes bestimmt natürlich der Mieter und Nutzer. Und der ist auch ein Mensch, der gerne eine Zigarre im Wohnraum raucht oder auch im Winter nur bei offenem Fenster schlafen kann. Oder er ist ein Mensch, der sich die Verwirklichung seiner Vorstellungen leistet und nicht spart.
Und so habe ich Wohnhäuser besichtigt, die kellerraumfüllende Anlagen zur Wohnraumlüftung beherbergten. Der Restwärmebedarf der Wohnungen wurde über beheizbare innere Fensterscheiben gedeckt. Alles wohl berechnet und teuer bezahlt. Jedoch in der Konstruktion innovativ, zukunftsweisend, höchst sparsam und klimafreundlich beschrieben. Ein Stolz des Energieberaters und Planers. Beim Rundgang um das Gebäude standen dann in 25% der Wohnungen bei winterlichen Temperaturen mehre Fenster in Kipp-Stellung. Der Planer hatte nicht mit dem Nutzer gerechnet. Und der lässt sich, wenn überhaupt, nur langsam, sehr langsam erziehen. 
Aber das ist sicherlich nicht Aufgabe des Architekten. Denn dessen Planung sollte den Rahmen für eine Vielzahl von Nutzungsmöglichkeiten geben - den größtmöglichen Raum zum Leben. Und wie wir bereits wissen, den größten gemeinsamen Nenner aller Anforderungen, also auch der Kosten, suchen.
In diesem Sinn, lasst Vernunft und Fachverstand walten und weniger Ideologie.