Leserbrief am 10.01.2021 im Main-Echo, Ausgabe Aschaffenburg
Zu "Stadträte für Schmuck-Lösung", 11.12.2020, Leserbrief "Neues Wahrzeichen...", 04.01.2021
Keine Konkurrenz erzeugen
Der Leserbrief des Stadtplaners K.-H. Brendler lässt mich
wieder in der Gegenwartsrealität erwachen.
Personenaufzüge moderner Prägung sind seit Mitte des 19.
Jahrhundert dem Menschen dienende, nützliche Maschinen, die ihm bestenfalls
komfortabel und erlebnisreich Höhen überwinden lässt. Die Aschaffenburger
Anforderungen für den Aufzug am Mainufer stellen sicherlich keine
Herausforderung für den zeitgemäßen Maschinenbau dar. Wenn die Maschine sich
zur Nutzbarkeit mit einer Umhüllung vereint, entsteht Architektur, sowohl als
Schräg- oder Vertikalaufzug. Aufgrund der Besonderheit des Errichtungsortes in
unmittelbarer Nähe zum Schloss entsteht die Schönheit des Gebäudes, indem es
nicht konkurrierend ist, sich zurücknimmt und ebenfalls dienend ist.
Traumhaft sehe ich in der geplanten Architektur ein in der
Zeit erstarrtes überdimensionales Mikadostabbündel. Sollte der Traum enden,
wird sich die Starre lösen und die Form ihre Vollendung am Boden liegend
finden. Nicht mehr Architektur, eventuell eine Kunstinstallation mit
untergeordneter Aufzugstechnik, ein wesentlicher Unterschied für das gesamte
Projekt. Und was bliebe dann? Ein mächtiges Schloss, das sich wie all die
Jahrhunderte zuvor, in ruhiger Schönheit ungestört über den Mainbogen erhebt,
weithin sichtbar und zweifellos alles dominierend.
Ein Architekturappendix mit starkem Assoziationspotential zu
mittelalterlichen Belagerungstürmen hat auch durch die Anstellung an ein
Renaissanceschloss schon aufgrund der historischen Problematik erheblichen
weiteren Diskussionsbedarf. Wenn das Schloss Aschaffenburger Wahrzeichen ist
und auch bleiben soll, sollte keine Konkurrenz erzeugt werden, sonst lässt
Disneyland bis zu uns grüßen.
Günter Schweibert, Architekt, Aschaffenburg